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Feel4Austria in Graz
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N. Tschelej-Kreibich Mon 11 2022

Graz - es war ein Abenteuer pur

Zuerst mal ist bei meinem Auto ein Blinker ausgefallen, und zwar der Rechte. Ich habe mir dann überlegt, ob ich eventuell eine lange Stange brauchen wurde, wo ich eine kleine Fahne montieren soll und bei Bedarf es anstatt einem Handzeichen nehme. Dann habe ich es doch sein lassen, damit es nicht zu kompliziert wird. Die Fahr war gemütlich und ich war richtig überrascht, wie viele Autos scheinbar mit kaputtem Blinkern unterwegs sind 😉


‚African Diaspora‘ hat mich warm und herzig in ihre Arme geschlossen – von Kamdem, der Gründer des Chiala-Vereins. Das Festival wird vom Verein ‚CHIALA‘ veranstaltet, das neben seiner Kulturarbeit ein vielfältiges Betreuungsangebot für Menschen, insbesondere afrikanischer Herkunft, anbietet: Von Sozial-, Wohn- und Rechtsberatung, Deutschkursen bis zu kreativen und antirassistischen Workshops, afrikanischem Cateringservice oder einer afrikanischen Mediathek. Dieser kooperative Spirit wird auch jedes Jahr beim ‚CHIALA Afrika Festival‘ spürbar, bei dem – trotz aller Herausforderungen, vor denen viele aus der African Community in Graz stehen – immer die Lebensfreude überwiegt.


Und ganz im Sinne der Veranstaltung (hier findet man ein Video mit Impressionen) fügte mein Workshop sich nahtlos in den Ablauf vom Festival ein. Nach knapp zwei Stunden, die ich für den Aufbau und Check-In in dem Tagungszentrum von Katharinen Barmherzigen Schwerstern erledigt habe, war es soweit. Die Musik startete, die ersten Besucher kamen vorbei. Meine ‚Nachbarn‘ veranstalteten einen Trommelworkshop und als erste kam dann die Dame, die das ganze organisiert hat. Sie hat sich nicht fürs Zeichnen überzeugen lassen, dafür aber ihr Mann und die Bekannte, die dabei war. Diese Bekannte ist lange vor dem Tisch mit Farben, Zeitungen, Stickern und Stempeln gestanden, bis sie sich endlich traute sich hinzusetzten und einen Stift in die Hand zu nehmen. Zögerlich hat sie angefangen zu zeichnen – und langsam sickerte aus ihr raus, dass sie eigentlich schon seit früheren Kindheit nichts gezeichnet hat. Damals, als sie satte 6 Jahre alt war hat sie beim Zeichnen einen Stift gebrochen und ihr Vater und ihre Schwester haben sie so schlecht behandelt, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre. In der Schule konnte sie sich auch nicht mit dem Kunstunterricht nicht anfreunden, die Lehrerin hat sie mehr de- als ermutigt und somit blieb dieser Frau deie Kunstwelt leider für eine längere Zeitperiode verborgen. Umso mehr freute es mich, dass sie mitgemacht hat, und sie meinte am Ende des zweiten Tages, dass sie in eine Galerie oder vielleicht sogar in eine Museum gehen möchte.


Dann kamen immer mehr Leute zur mir, das Thema schien für viele spannend und interessant zu sein. Frauen, Kinder, Männer – ganz buntgemischt – sie zeichneten, machten Kollagen, jeder erzählten seine eigene Geschichte dazu. Manche brauchten etwas Zeit, um sich zu öffnen, manche waren sofort bei der Sache dabei, manche schwiegen und arbeiteten ganz genau und konzentriert, manche wollten sich nur kurz niedersetzten und etwas zeichnen.


Noch eine Dame ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Sie setzte sich hin und malte zuerst ein kleineres Bild mit sehr vielen Details – die Zeichnung erinnerte mich an die Zentagle-Bilder, die mit kleinen Kreisen, Punkten und ‚Zigzag‘-Streifen eine Mallandschaft bilden und gut für die Schulung der Konzentration geeignet sind. Dann gab es keinen freien Plätzchen mehr für noch einen Punkt oder einen Kreis. Sie nahm ein anderes Blatt und fing an mit geschlossenen Augen zu zeichnen – nahm ein nach dem anderen Wachstift und machte eine ganz andere Art von Zeichnung. Und danach kam das Beste – sie traute sich an eine große Leinwand, die sie in Mischtechnik gestaltet hat. Es kam ein riesiges Apfel mit schöner Linienführung und wunderbaren Farbwahl heraus. Sie verbrachte fast zwei Stunden bei mir auf dem Tisch sitzen. Dann, als sie fertig war, sagte sie: ‚Das hat sich für mich voll gelohnt hierher zu kommen, ich werde jetzt nach Hause fahren und einen Malkurs belegen. Das wollte ich schon lange tun, nur dachte ich, dass ich kein Talent habe und es nicht verdiene.‘


Es war mir ein Vergnügen und ein Privileg so etwas erfahren zu dürfen und da dachte ich mir, dass es wahrscheinlich sehr viele Menschen gibt, denen es so geht wie diesen zwei Damen, die ich getroffen habe. Es wäre toll, diese Menschen zu erreichen und die schlafende Kreativität aus dem ‚Dornröschenschlaf‘ zu wecken.
Als letztes kam ein junger Mann zur meinen Tisch. Er stammt aus Ghana und ist seit kurzem in Österreich angekommen. Er hat noch nie in seinem Leben Buntstifte in der Hand gehalten und etwas gezeichnet. Ich unterstützte ihm, sagte, dass er einfach mit den Punkten versuchen soll, weil viele kleine Punkte auch eine Linie bilden können. Zum Schluss hat er eine wunderschöne Punkte-Blume gezeichnet und es fing zum Regnen an.


Ich musste in Windseile meine Schätze einpacken, vorsichtig habe ich alle Zeichnungen in Plastik gewickelt und bin schnell zum Auto gerannt. Ich war platschnass, aber glücklich und zufrieden. Es waren mehr als 150 Zeichnungen, die ich bei diesem Workshop ‚geerntet‘ habe – mit dem habe ich nicht mal in meinen Träumen gerechnet.

 

 

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